Buchbesprechung: CALIFORNIA DREAMIN‘

Dream a Little Dream of Me…

geschrieben von Anita Drexler

 

CALIFORNIADREAMINCOVER

Dicksein schließt dich als Hauptfigur aus. Als Mädchen sowieso. Das ist die Lektion, die die Unterhaltungsindustrie insbesondere Frauen* und Mädchen* von klein auf lehrt und die wir gelernt haben, zu akzeptieren.

Die kleine Ellen aus Baltimore sieht das anders. Sie hat Starqualitäten und sie weiß es. Auch ihre Umgebung ahnt, dass etwas Außergewöhnliches in dem quirrligen Mädchen schlummert, wenn da bloß nicht dieses eine Hindernis wäre – der eigene Körper.

Pénélope Bagieu beschäftigt sich in ihrem Comic „California Dreamin’“ mit dem Leben der Cass Elliot, besser bekannt als „Mama Cass“ , Mitglied der in in den 1960er und 1970er Jahren berühmten Folkformation „The Mamas and the Papas“. Sie skizziert darin sowohl ein stimmiges Bild der Entertainmentindustrie ihrer Zeit, als auch ein komplexes Psychogramm der Protagonistin, die, obgleich es ihr gelingt, äußere Grenzen einzureißen, am Ende ob der ihr durch sie selbst gesetzten Grenzen zum Scheitern verurteilt ist.

Dabei ist Bagieus Comic vorallem eines: sehr erfrischend.

Erfrischend auf einer künstlerischen Ebene, weil er, obwohl im Jahr 2015 erstmals  erschienen, mit seinem dichten Bleistift-Look optisch so gar nicht daherkommt wie die minimalistisch-durchdesignten Computergrafiken, die den grafischen Stil der modernen Comicwelt stark prägen. Erfrischend aber auch durch seine Themenvielfalt, gepaart mit einem sozialkritischen Anspruch, die Bagieu geschickt miteinander zu verweben versteht. So behandelt der Comic relevante Themen wie Body Positivity, Erwachsenwerden, Selbstfindung, ist aber zugleich ein liebevoll gestaltetes Szenenbild der Musikindustrie des vergangenen Jahrhunderts. Beherrschendes Narrativ ist eine abgerundete Erfolgsgeschichte: Der Weg der Cass Elliot und mit ihr der „The Mamas and the Papas“ von der Garagenband zum Starruhm. Erzählt wird die Story aus der Perspektive  einer willensstarken und zugleich unsicheren Persönlichkeit, die sich, ungeachtet der  äußeren Widerstände, nicht davon abhalten lässt, ihre beruflichen Vorstellungen zu verwirklichen. Dass Bagieu es schafft, die Handlung natürlich im Fluss zu halten, ohne Zeigefinger und ohne Effekthascherei, erleichert die Lektüre der teilweise recht düsteren Geschichte ungemein.

Damit ist „California Dreamin’“ ein Graphic Novel, die sowohl Musikliebhaber_innen als auch Feminist_innen anzusprechen vermag – und solche, die beides sind, sowieso. Wenn man sich am etwas melancholischen Grunddton des Werkes nicht stößt, findet man hier ein Kleinod zeitgenössischer Comickunst.

„California Dreamin'“ erschien in deutscher Übersetzung 2016 beim Carlsen Verlag und ist in einem Band abgeschlossen.

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DICKE Kinderbuchempfehlung

Buchrezension von Malena Glück

Who has what_cover.inddDas Kinderbuch „Hast du was, was ich nicht hab?“, geschrieben von  Robie H. Harris und bebildert von Nadine Bernard Westcott, ist eines der wenigen Kinderbücher, die ich als Dickenaktivistin empfehlen will. Dieses Buch ist ein erstes Aufklärungsbuch für Kinder im Kindergartenalter (ab 3 Jahren) über die unterschiedlichen Körpermerkmale von Mädchen und Jungen.

Insbesondere folgende Passage des Buches hat mich tief beeindruckt und berührt: „Es ist ganz egal, welchen Körper du hast – ob du ein Mädchen bist oder ein Junge, ob du groß bist oder klein, ob du dick bist oder dünn … auf der ganzen Welt gibt es niemanden, der denselben Körper hat wie du, NIEMANDEN, der so ist wie du. Du bist einmalig und einzigartig …  und genau DICH gibt es nur EINMAL auf der Welt. Dass du so bist, wie du bist, macht dich GANZ BESONDERS.“ Diese Passage ist ein Lob an die Vielfalt und die eigene Einzigartigkeit. Ich denke damit wird den Kindern wirklich eine wunderbare Botschaft vermittelt und ich lese es meinem Sohn immer wieder mit Freude vor.

Robie H. Harris
Hast du was, was ich nicht hab?
Alles über den Körper bei Mädchen und Jungen
Aus dem Englischen von Regina Zwerger
G&G Verlagsgesellschaft mbH, Wien, 1.Auflage 2013
ab 3 Jahren, 40 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-7074-1482-0

Rhea Krcmárová: Venus in echt

Eine Buchrezension von Malena Glück

Venus-in-echt_CoverIn dem Roman „Venus in echt“ besetzt die Autorin Rhea Krcmárová ihre Hauptrolle mit einer dicken Frau, die aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen einen Weg zu sich selbst und ihrem Selbstwert findet.

Ich sage: „endlich gibt es ein Buch in dem eine dicke Frau ihre Sexualität lebt.“

Ich finde den Ansatz spannend über die Sexualität den eigenen Körper wieder wahrnehmen zu lernen. Einfach toll und aufbauend finde ich die Beschreibungen des dicken Körpers und seiner eigenen Schönheit. In viele Erfahrungen konnte ich mich auch sehr gut einfühlen und habe sie leider teilweise selbst durchleiden müssen.

Dieses Buch ist für mich wirklich zu empfehlen – auch wenn ich persönlich finde: das Selbstwert nicht allein darüber definiert werden sollte ob frau begehrenswert ist oder nicht – also ob jemand mit einem Sex haben will oder nicht. Ich finde es dennoch einfach nur ermutigend, aufbauend und stärkend. All zu viel will ich aber nicht verraten und hoffe ihr werdet genauso tief bewegt von diesem Buch wie ich.

Rhea Krcmárová
Venus in echt
Edition a GmbH, 1. Auflage, Jänner 2014
208 Seiten, gebunden
ISBN: 978-3-99001-061-7

Lisa Isherwood: The Fat Jesus

Eine Buchrezension von Maike Kittelmann

Lisa Isherwood: The Fat Jesus»The Fat Jesus« ist ein Buch der britischen feministischen Befreiungstheologin Lisa Isherwood, und schon 2007 erschienen. Jetzt sagt vielleicht jemand: »Theologie??« Aber es gibt gute Gründe, das Buch zu lesen!

Vor allem ist die Verurteilung Dicker in unserer Gesellschaft definitiv eine moralische Verurteilung. Auch wer mit Religion nichts anfangen kann, sieht sich damit konfrontiert, dass das Christentum 2000 Jahre westliche Werte beeinflusst hat. Wenn wir also fragen, woher die absurde moralische Verdammung des Dickseins kommt, ist es unvermeidbar, einen Blick in die Geschichte des religiösen Denkens zum Thema Essen und Nicht-Essen zu werfen.

Ein zweiter Grund, das Thema von einer religiösen Perspektive zu analysieren, ist der unübersehbare, definitiv religiöse Charakter der Diät- und Fitness-Ideologie. Es geht nicht einfach um den Körper. Es geht um Lebensveränderung, Gewichtsverlust wird mit Persönlichkeitswachstum gleichgesetzt, »gut« und »böse« werden in den Bereich der Lebensmittel verschoben, es geht um eine »Bekehrung« zum Dünn-Sein, man hofft auf eine Art »Erlösung«, alles soll besser werden durch das Fit-Sein, Schön-Sein, Dünn-Sein. Aber es gibt »Versuchungen«, und die Dicken haben ihre »Verdammnis« verdient. All das sind eigentlich religiöse Denkweisen. Und viele Leuten verdienen sehr viel Geld an dieser »Religion«. Es ist beruhigend, dass sich eine Theologie-Professorin, die selber dick ist, das mal genauer angesehen hat.

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»Mythos Übergewicht« von Achim Peters

Eine Buchrezension von Malena Glück

Achim Peters: Mythos ÜbergewichtAchim Peters schreibt in seinem Werk »Mythos Übergewicht« über die wissenschaftliche Arbeitstheorie, dass Dicksein eine gesunde Reaktion auf Stress darstellt und gestresste Dicke gesundheitlich besser dastehen als gestresste Dünne. Denn Dicke, so seine Annahme, gleichen Stress und den Mehrbedarf an Zucker im Gehirn durch Mehressen aus.

Laut seiner Forschung sind unter anderem soziale Ungleichheit und Ungerechtigkeit Ursachen für das Dicksein und Dickerwerden. Insbesondere die Diskriminierung von Dicken im Gesundheitswesen und in der gesamten Gesellschaft tragen dazu bei, den Stress von allen zu erhöhen und damit auch ihr Gewicht. Dabei teilt er alle Menschen in zwei unterschiedliche Typen. Je nachdem wie sie mit Stress umgehen gehören einige dem Typ A an und andere dem Typ B. Typ B sind Menschen, die unter Stress zunehmen. Während Typ A Menschen sind, die unter Stress abnehmen, aber dafür auch bei Dauerstress Bauchfett ansetzen und einen sehr hohen Cortisolspiegel aufweisen. Typ A Menschen, so Achim Peters, hätten gesundheitliche Nachteile gegenüber den Typ B Menschen aufgrund des höheren Cortisolspiegels und des Bauchfettes.

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»Nicht schlank? Na und!« von Angelika Diem

Eine Buchkritik von Patricia Wendling

Nicht schlank? Na und! von Angelika DiemHätte Angelika Diem die ARGE Dicke Weiber nicht über das Erscheinen ihres Buches informiert, wäre ich vermutlich nie über diesen Ratgeber gestolpert. Wäre mir dabei etwas entgangen? Ich bin mir nicht sicher.

Wie vielen Frauen und Mädchen so ging es auch der Vorarlberger Lehrerin und Autorin Angelika Diem. Sie hasste ihren Körper und machte ihn für alles, was in ihrem Leben nicht so gut lief verantwortlich. Jahrzehntelang versuchte sie abzunehmen, nach jeder Diät kamen die Kilos aber wieder zurück. Als sie 42 Jahre alt war, entschloss sie sich, damit aufzuhören und ihren Lebensstil zu verändern, um unabhängig von ihrem Gewicht gesünder und glücklicher zu werden. »Gesundheit, Wohlbefinden und Gewicht hängen nicht miteinander zusammen.« Diese so wahre Erkenntnis will die Autorin in ihrem Ratgeber teilen.

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Wer schön sein will, muss reisen von Tine Wittler

Eine Buchrezension von Christine Abdel Maguid-Fiedler

Wer schön sein will, muss reisen von Tine Wittler
Eigentlich will Tine Wittler nur einen Roman über die Erlebnisse einer dicken Frau in Mauretanien schreiben, doch dann beschließt sie selber in das Land zu fahren, in dem dicke Frauen als schön gelten. In Tagebuchform schildert sie ihre Reise ins Land der runden Frauen von den ersten Planungsstadien bis zur Rückkehr in ihre Heimat.

In den ersten Kapiteln werden die Reisevorbereitungen beschrieben, die durch Bürokratie und die politischen Unruhen in Nordafrika 2011 (Revolten in Ägypten und Marokko) erschwert werden. Immer wieder stellt sie den Schönheitsbegriff vor allem in Europa in Frage, da sie als dicke Fernsehmoderatorin immer wieder angefeindet wird. In Mauretanien angekommen macht Tine Wittler zum ersten Mal die für sie überwältigende Erfahrung als schön wahrgenommen zu werden. Sie schließt schnell Freundschaft mit einheimischen Frauen. Zwischen den Frauen gibt es kein Konkurrenzdenken, jede dicke Frau gilt als schön.

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Fettberg von Phyllis Kiehl

Eine Buchrezension von Malena Glück
Fettberg von Phyllos Kiehl

Nicht nur der Titel ist an diesem Roman verstörend. Noch nie hat mich ein Buch so getroffen und gleichzeitig mitgerissen. Einerseits ist die Geschichte absolut grausam und brutal und andererseits spiegelt sie vollkommen die Natur des Menschen wider – vor allem die negativen Aspekte des Menschseins. Dabei sollte man nicht meinen, nur weil es hier um vor allem dicke Menschen ginge, würde diese Beschreibung nicht auch auf dünne Menschen zutreffen. Denn die Intrigen und Gemeinheiten, die Menschen sich gegenseitig zufügen, sind nicht an ein äußeres Merkmal gebunden.

Konkurrenz und Wettbewerb sind Aspekte unserer heutigen Gesellschaft, die uns alle auseinanderdividieren. Und zugleich sehnen wir Menschen uns nach Zugehörigkeit, Anerkennung und Akzeptanz. Die in »Fettberg« beschriebene Abnehmklinik steht in diesem Zwiespalt, dort flüchten sich dicke Frauen und Männer hin um wieder in die Gesellschaft hineinzupassen, aber auch um vor der Gesellschaft zu entfliehen. Einerseits stehen wir als dicke Menschen unter dem Druck sich der Gesellschaft anpassen zu müssen, andererseits wollen wir als Menschen so sein können wie wir sind ohne uns anpassen zu müssen.

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Nudeldicke Deern von Anke Gröner

Nudeldicke Deern „Free your mind and your fat ass will follow“ eine Rezension.

Nudeldicke Deern

Dieses Buch ist vielleicht kein Diätbuch, aber es geht hauptsächlich ums Essen. Anke Gröner beschreibt, wie sie als dicke, erfolgreiche Frau durch das Leben geht. Sie könnte ganz zufrieden mit sich sein. Die einzige Kleinigkeit, die sich immer wieder negativ in den Vordergrund drängt, ist ihr Dicksein. Nudeldicke Deern ist eine Erfolgsstory. Anke Gröners Erfolg für mehr Zufriedenheit wird nicht nur biografisch aufgearbeitet.

Im Großen und Ganzen ist das Buch in zwei Teile zu teilen. Bis Seite 121 geht es fast nur ums Essen. Genauer gesagt geht es darum, wie Anke Gröner zu ihrem heutigen für sie besseren Essverhalten gefunden hat. Der Rest des Buches deckt die zur Zeit im Internet vertretenen Diskurse über Körperakzeptanz, Dickenakzeptanz und verwandten Themen ab.

Nach unzähligen Diäten hat die Autorin den Traum dünn zu sein aufgegeben. Welche Diät hat sie noch nicht probiert? Halbherzig hat sie das Angebot der Foodcoachin Lu angenommen. Für Anke Gröner ein Glücksgriff durch den sie einen neuen Zugang zum Essen fand. So ein Foodcoaching ist ein bisschen wie ein 24 Stunden Koch-Ess-Einkauf-Lebensmittel-Trainingslager. Wie auf Systemneustart wird erst mal der Statusquo ermittelt. Was wurde bisher gekocht? Was gibt es im Haushalt? Wo wird eingekauft? Was wird gerne gegessen? Was würden man/frau gerne mal essen? Neue Rezepte werden probiert. Sogar eine ganz neue Einkaufskultur wird erschlossen. Plötzlich findet sich Anke Gröner am Markt wieder. Zwar kostet es mehr Zeit, aber schließlich gibt es dort die oft besseren Lebensmittel. Nebenbei stellt Anke fest, dass sie sogar gerne bummelt. Nebenbei auch die Weinkennerei erkundet. Dadurch kam neue Lust am Kochen auf bei Anke. Alleine das Aufspüren und Finden von Rezepten ist ein weiterer neu gefundener Zeitvertreib. Alles in allem hat das Coaching zu einem neuen Hobby geführt. Dadurch kommen frühere Freizeitbeschäftigungen ein bisschen kürzer. Nachdem Essen über Jahrzehnte hinweg Ankes Feind war, sind sie Freunde geworden. Weiterlesen

Esst endlich normal! von Udo Pollmer

Eine Buchrezension von Malena Glück
Udo Pollmer: Esst endlich normal

Noch nie hat sich ein Buch so intensiv mit dem Thema Übergewicht und der wissenschaftlichen Forschungslage beschäftigt wie das von Udo Pollmer geschriebene Werk: Esst endlich normal! Der Autor erklärt warum die von den Medien und Politikern zitierten Studien, die unser angebliches Verfetten postulieren, lügen – also ihre Aussagen meist so zurechtgebogen werden wie es gerade der Mainstreammeinung beliebt und wie man damit natürlich am besten Geld verdient.

Zusätzlich setzt er sich mit den realen Ergebnissen wissenschaftlicher Studien auseinander und belegt mit diesen Daten, dass Diäten krank machen, Ernährung nur wenig mit dem angesetzten Übergewicht zu tun hat, dass Sport und Fitness auch keine Auswirkungen auf das Übergewicht haben und noch so einige Irrtümer, die Dicken als Vorurteile entgegengebracht werden. Er erklärt warum Studien den Fernsehkonsum als dickmachend postulieren und zwar nicht weil wir uns dadurch schlechter ernähren und uns weniger bewegen – sondern, weil Fernsehen Streß produziert (und Streß wiederrum das Hormon Cortisol).

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