Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot von Sabine Asgodom

Eine Buchrezension von Malena Golemis
Sabine Asgodom: Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot

Sabine Asgodom schreibt in diesem Buch als selbsternannte Dicke über die Themen Dicksein und Selbstbewusstsein. Dabei wendet sie sich an alle Menschen – also einerseits möchte sie anderen dicken Frauen helfen und andererseits möchte sie auch dünne Menschen aufklären und zum Umdenken bewegen. Ihr reißerischer Stil wirkt sich sehr positiv auf das Leseverhalten aus, so werden auch wissenschaftliche Erkenntnisse leicht verständlich und spannend wiedergegeben.

Hauptsächlich schildert sie Erfahrungen aus ihrem Leben, die viele dicke Frauen sicher leicht nachvollziehen können. Denn ihre Erfahrungen betreffen alle möglichen Probleme mit denen sich eine dicke Frau auseinanderzusetzen hat. Frau Asgodom geht es vor allem darum die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass »das Leben (zu kurz ist) für Selbstbestrafung, Selbstverachtung und ein Leben im Mangel« (Asgodom 2010, 15). Sie will wieder »Lust auf Leben machen, die Lust am Essen wiedererwecken, die Lust am eigenen Körper stärken.« (Asgodom 2010, 22) Sie spricht sich gegen Diäten aus, die nur dem Zweck dienen abzunehmen. Ihr geht es nicht unbedingt darum, dass Dicke wieder abnehmen, sondern Dicke und alle anderen Menschen sollen aufhören das Gewicht so wichtig zu nehmen.

Weiters spricht sie die Übertragung von »Gewichtsproblemen« auf Kinder an, welche schon früh die falsche Einstellung zu sich selbst, zu Diäten und zum Dicksein durch die Eltern lernen. Sie erwähnt die neueste Verurteilung der Dicken als Schuldige für den Zusammenbruch des Gesundheitssystems und des Klimawandels. Und sie zeigt den Zusammenhang auf von jenen Firmen, die dir angeblich helfen sollen abzunehmen, wie zum Beispiel Weight Watchers oder Jenny Craig, und den Drahtziehern dieser Firmen, bei welchen es sich einmal um eine belgische Keksfabrik und beim anderen um einen Nahrungsmittelkonzern für Pizza, Eis und Schokolade handelt.

Ihre Meinungen und Aussagen untermauert sie mit Anspielungen auf wissenschaftliche Studien. So schreibt sie: »Die wichtigste Erkenntnis: 19 von 20 Studien zum Thema Übergewicht zeigen, dass dicke Menschen nicht mehr essen als dünne. Einer dicken Frau zu sagen, sie könne mit Diät abnehmen, ist eine Lüge: Um abzunehmen und das Gewicht zu halten, muss sie für den Rest ihres Lebens erheblich weniger essen als ››Normalgewichtige‹‹.« (Asgodom 2010, 19f) Bei den erwähnten Studien bezieht sie sich zum Beispiel auf Prof. Martin Seligman oder auf Gesundheitswissenschaftlerin Ingrid Mühlhauser und auf viele mehr.

Fünf Gründe und fünf Lösungen

Frau Asgodom geht von fünf Gründen (Talent, Trotz, Trance, Turbulenzen, Traurigkeit) aus, warum Menschen dick werden und bietet nach der näheren Erläuterung dieser fünf Gründe fünf Lösungen (Liebe, Lust, Leichtigkeit, Laben, Lachen) an um mit sich und seinem Körper ins Reine zu kommen.

Bei den fünf Gründen geht es erstens um die bereits wissenschaftlich erwiesenen Zusammenhänge zwischen Veranlagung (Genen, Stoffwechsel, Körperbau, Zellen, Geschmack, etc.) und Dicksein, weiters geht es um ein Trotzverhalten – Frau isst soviel wie ein Mann (als Teil der Gleichberechtigung) und Frau isst um »stark zu werden« (ebd. 2010, 88), »niemanden ausgeliefert zu sein« (ebd. 2010, 88), »sich wehren zu können« (ebd. 2010, 88) –, ebenso soll es um Gewohnheit gehen (nicht nur um Essgewohnheiten sondern auch um Denkgewohnheiten), auch der Stress soll Anteil daran haben, das wir dick sind (so sollen wir aus Gram, Wut, Zorn, Traurigkeit essen) und abschließend gehört Traurigkeit und Verweigerung (man verweigert sich zum Beispiel: tanzen zu gehen, schwimmen zu gehen, etc.) zu den fünf Gründen des Dickseins laut Frau Asgodom dazu.

Mit den Lösungen, die Frau Asgodom bietet, meint sie nun nicht das Rezept zum Abnehmen gefunden zu haben, sondern einen Weg »sich (selbst) gut zu fühlen, sich zu mögen und sich Gutes zu tun, egal, ob in Größe 38 oder 58.« (Asgodom 2010, 151). Ihre Lösungen sind mit Übungen verbunden, Übungen die helfen sollen sich lieben zu lernen; die Lust am Leben, Essen, Körper wiederzuentdecken; Leichtigkeit in der Bewegung zu erlangen, genießen zu lernen und lachen zu lernen. Eine der Übungen ist, nahestehende Menschen zu fragen, was sie an dir mögen. Oder einen Aufpasser bzw. Aufpasserin zu bestimmen, der/die darauf achtet, dass man sich nicht selbst beschimpft, herabwürdigt, an sich zweifelt oder sich selbst kritisiert. Sie rät auch dazu sich aufzuschreiben was man kann, wer man ist, wie man ist und was man tut (näheres auf S.167f Tortendiagramm) oder aufzuschreiben warum man gerne dick ist (etwas Positives am eigenen Dicksein entdecken – näheres auf S.179). Eine weitere Übung wird als »geistesgegenwärtig sein« bezeichnet und meint bewusst wahrzunehmen (also zu riechen, schmecken, sehen, hören und spüren) was wir gerade tun (ob essen, trinken, gehen, etc.).

Obwohl Frau Asgodom einen sehr engen Zusammenhang von Essen und Dicksein herstellt, spricht sie sich dafür aus, dass »wir (…) essen [dürfen]. Wir dürfen genießen und uns verwöhnen. Essen ist nicht unser Feind! Es gibt uns Kraft, macht froh, macht stark.« (2010, 113) Und weiters schreibt sie: »Wir Dicken sind keine Vielfraße und keine Versager. (…) Da wir nicht vom Essen dick werden, können wir das Essen auch ganz gelassen genießen.« (Asgodom 2010, 218) Frau Asgodom spricht von gesundem Essen und meint, das für den jeweils eigenen Körper und für die jeweils eigene Person gesunde Essen. »Ich habe mir angewöhnt, nur das zu essen, was mir schmeckt, und so viel, wie ich Appetit habe – Luxus.« (Asgodom 2010, 233) Ebenso spricht sie von Bewegung und meint damit aber keinesfalls übertriebenen Sport, Fitnessprogramme sondern Tanzen, Hausarbeit, Gartenarbeit, Spazierengehen, Fangenspielen mit Kindern, etc.

Kritisch vermerken kann man nur Weniges

So könnte man zum Beispiel Asgodoms Aussage: »Es gibt Menschen, die können sich beim Essen disziplinieren. Andere können es nicht.« (Asgodom 2010, 13) als Zustimmung zu dem Vorurteil der Disziplinlosigkeit, welches oft gegen Dicke vorgebracht wird, ansehen. Doch liest man einige Kapitel weiter, ist es genau jenes Vorurteil mit dem Asgodom auch aufräumen will. Man könnte es also auch so interpretieren, dass selbst wenn Dicke disziplinlos wären, so wäre es doch die eigene persönliche Angelegenheit eines und einer jeden Einzelnen. So schreibt sie auch wenige Zeilen später: »Niemand würde jemanden beschimpfen, der nicht Eis laufen, Ballett tanzen oder dichten kann. Menschen, die nicht bereit oder in der Lage sind, sich dünn zu hungern, werden beschimpft und an den Pranger gestellt. Ihnen wird unterstellt, undiszipliniert, erfolglos und labil zu sein oder wie es in meiner Kindheit hieß: fett, faul und gefräßig.« (Asgodom 2010, 14)

Eine weitere Bemerkung von Frau Asgodom muss man auch kritisch hinterfragen und zwar: »Im Fall von gefährlichen Essstörungen wie Magersucht, Bulimie, Binge-Eating, extremen Übergewicht und ähnlichem braucht es mehr als ein Buch (auch wenn ich hoffe, dass Sie hier manche Anregungen zum Nachdenken finden). Frauen, die unter massiven Esstörungen leiden, sollten sich professionelle Hilfe suchem.« (Asgodom 2010, 26)

Die ARGE Dicke Weiber ist auch davon überzeugt, dass es gefährliche Essstörungen gibt, aber extremes Übergewicht gehört nicht dazu. Zudem ergeben sich die Fragen: was unter extremen Übergewicht verstanden wird, also ab wann die Grenze gesetzt wird und ein Mensch als extrem übergewichtig gilt und wer eine solche Grenze bestimmen kann? Die ARGE Dicke Weiber möchte definitiv keine Grenzen bei der Gewichtsklasse ziehen – da solche Grenzen bei Menschen zu Druck und Angst führen. Wir sind davon überzeugt, dass genau dieser Druck und diese Angst vor dem Dicksein zu Essstörungen führen können – unabhängig vom Gewicht.

Frau Asgodoms eigene Definition von »zu dick« lautet folgend: »Zu dick bin ich, wenn ich aufgrund meines Gewichts Dinge nicht mehr tun kann, die ich gerne tun würde. (…) Ich finde, meine Definition gilt für ein Übergewicht von fünf Kilo, wenn es mich einschränkt, bis 300 Kilo bei diesen bedauernswerten Riesenbabys, die wir manchmal im Fernsehen sehen, und die ihre Couch nicht mehr verlassen können. Die brauchen offensichtlich Hilfe, ohne Frage, weil ihr Leben erheblich eingeschränkt ist – auch die ››Laufzeit‹‹ betreffend.« (Asgodom 2010, 42)

Die ARGE dicke Weiber muss sich von einer Aussage distanzieren, in der 300 Kilo Menschen als »Riesenbabys« bezeichnet werden. Wir möchten uns für alle dicken Frauen einsetzen egal wie viel sie wiegen und für ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben. Also auch 300 Kilo Menschen oder mehr Kilo Menschen gelten für die ARGE Dicke Weiber nicht als »Riesenbabys« – da wir keinem Menschen die Würde absprechen wollen.

Fragwürdig ist auch was Frau Asgodom für die notwendige Hilfe erachtet. Vielleicht tun wir ihr unrecht und sie meint damit keine Zwangsmagenoperation sondern Heimhilfen, die die Selbstbestimmung der übergewichtigen Person würdigen. Eine solche Sicht könnte man aus folgenden Überzeugungen von Frau Asgodom gewinnen: »Jeder Mensch darf so dick oder dünn sein, wie die Natur (oder sein Lebensweg) ihn geschaffen hat. Dünn ist nicht besser, dick nicht schlechter. Jeder Mensch hat ein Recht auf ein erfülltes Leben ohne schlechtes Gewissen. Essen ist die lustvolle Grundlage des Lebens. Der Sinn des Lebens ist, glücklich zu sein, nicht dünn. Niemand darf aufgrund seines Körpergewichts diskriminiert werden. Niemand darf jemand anderem vorschreiben, welches Gewicht er zu haben hat. Dicksein hat nichts mit Schuld zu tun. Niemand darf Dicken ein schlechtes Gewissen machen.« (2010, 147f). Diese wenigen kritischen Anmerkungen sollten den jeweiligen Interessenten oder die jeweilige Interessentin nicht davon abhalten dieses wertvolle Buch zu lesen.

Frau Asgodom schreibt auch über jene Momente, in denen sie selbst wieder einen Rückfall erlitt und gerne dünn wäre oder abnehmen würde, dies macht sie menschlich und das Buch umso wertvoller. Schließlich geht es wohl vielen dicken Frauen so, dass sie manchmal zweifeln und sich ständig von neuem damit auseinandersetzen müssen sich so zu lieben, zu respektieren, zu akzeptieren wie sie sind und dies vor allen anderen Menschen und trotz all der anderen Menschen durchzusetzen.

Die wesentlichen Aussagen des Buches lauten:

»Essen ist nicht unser Feind. Unser Körper ist nicht unser Feind. Es geht um etwas ganz anderes. Es geht darum, uns neu lieben zu lernen. So wie wir sind. Einzigartig und nicht artig. Mit einem Körper, der okay ist, so wie er ist.« (Asgodom 2010, 23)

»Es geht nicht darum, dass Sie abnehmen, sondern dass Sie aus sich herausgehen! Es braucht eine unbegrenzte Beharrlichkeit, sein eigenes Leben leben zu wollen.« (Asgodom 2010, 195)

»Ja, wir sind gerne Frauen, ja, wir zeigen das auch. Ja, wir haben einen Bauch und Hüften und einen schönen Busen.« (Asgodom 2010, 210)

»Akzeptieren Sie, dass Sie dick sind und vergessen Sie es sofort wieder. Leben Sie jetzt, warten Sie nicht darauf, dünn zu werden.« (Asgodom 2010, 244f)

Sabine Asgodom
Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot
Selbstbewusst in allen Kleidergrößen
München: Kösel Verlag, 2010
256 Seiten, broschiert
ISBN: 978-3-466-30896-5

Ein Gedanke zu „Das Leben ist zu kurz für Knäckebrot von Sabine Asgodom

  1. Diese entschuldigende Haltung war mir auch schon bei ihrem Fernsehauftritt bei Maischberger aufgefallen. Frau Asgodom war mir da doch noch ein bisschen zu entschuldigend und Ursachen-suchend, und das ewige ‚Warum sollen wir nicht so sein, wenn wir uns wohlfühlen?‘ ging mir etwas auf den Zeiger. Was sollen wir denn machen, wenn wir und NICHT wohlfühlen? Eine Diät???

    Mwahahahahahhh!!

    Pull the other one, it’s got bells on it…

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